Häufig erhalten wir Anfragen von Halter/innen, die ihren Hund in die Hundebetreuung geben wollen, weil ihr Hund (noch) nicht alleine bleiben kann. Das geschieht manchmal aus der Not heraus, häufig empfehlen dies aber auch Hundetrainer/innen als Pauschallösung, wenn es im Training nicht weiter geht.
Kaum ist der betreffende Hund dann bei uns in der Betreuung, kann er hier wunderbar zur Ruhe kommen und bleibt bei uns problemlos alleine, was den Schluss nahe legt, dass viele Hunde sehr wohl alleine bleiben können – aber nicht wollen.
Die Angst, allein zu sein
Für ein sozial lebendes Tier wie den Hund ist es nicht einfach, das Alleine bleiben zu erlernen (für Menschen auch nicht!) – es ist aber wichtig zu lernen, dass man auch mal selbst klar kommen kann und dass Hundehalter/innen wieder kommen.
Hunde, die alleine bleiben können, sind Hunde, die sich sicher fühlen – und es sollte uns daran gelegen sein, dass unsere Hunde sich bei uns auch sicher fühlen können.
Alleine bleiben heißt nicht einsam sein!
Hunde, die wirklich Angst vor dem Alleinebleiben haben, wollen meist exzessiv „ausbrechen“, kratzen an Türen und Fenstern, verletzen sich dabei teilweise auch selbst oder speicheln z.B. auch stark. Man sieht ihnen an, wie kräftezehrend und beängstigend das Alleinebleiben für sie ist.
Leider denken durch den missbräuchlichen Begriff „Trennungsangst“ sehr viele Hundehalter/innen, dass Hunde pauschal Angst vor dem Alleinebleiben hätten. Dabei ist echte Angst und Panik bei Hunden, die alleine bleiben sollen, eher selten. Allerdings gibt es einige Hunderassen, die genetisch bedingt stark dazu tendieren Trennungsangst zu entwickeln.
Frust und Kontrollverlust
Hört man genauer zu, erfährt man schnell, dass der Großteil betroffener Hundehalter/innen rund um die Uhr Zeit mit ihrem Hund verbringen. Die Corona Pandemie hat einen klaren Trend abgezeichnet: Homeoffice hat dazu geführt, dass einige Hunde seit ihrer Welpenzeit zwei Jahre am Stück (!) und länger (!!!) noch nie alleine waren, weil Hundehalter/innen nichts besseres zu tun hatten, als sich rund um die Uhr um den Hund zu kümmern, weil etwas anderes nicht mehr denkbar oder erlaubt war.
„Soll sich der Hund in seinem Verhalten ändern, muss sich zunächst der Mensch verändern“ Erik Ziemen
Wer seinen Hund dicht bei sich haben möchte, sollte fairerweise nicht versäumen, dem eigenen Hund auch Distanz halten beizubringen. In der Verhaltensberatung stellen wir häufig fest, dass die Distanz für den Hund nicht das Problem wäre, aber für einige Hundehalter/innen selbst nicht zu ertragen ist. Distanz entsteht nicht erst, wenn man das Haus verlässt. Sie fängt in kleinen Dingen an.
Anders gesagt: Ein Hund darf gerne mit aufs Sofa, wenn es kein Problem ist, es mal nicht zu erlauben. Fordert ein Hund das Anrecht ein, auf dem Sofa zu liegen und akzeptiert Einschränkungen nicht, hat er auf dem Sofa nichts verloren.
Das bedeutet, dass Hundehalter/innen in der Erziehung nur Dinge erlauben sollten, die sie auch verbieten können.
Hunde, die zuhause ständig hinterher laufen und beim alleine bleiben lautstark mit Jaulen und Bellen „protestieren“ sind vielbeschäftigte Vierbeiner. Sie sind gedanklich so angespannt, dass sie kaum zur Ruhe kommen, aus Sorge darum, dass die Menschen um sie herum das Haus verlassen könnten, ohne, dass sie davon Kenntnis haben.
Das ist so anstrengend, dass diese Hunde selbst dann in Dauerstress leben, wenn sie gar nicht alleine bleiben müssen und sich dieser Pegel noch erhöht, wenn es dann tatsächlich mal sein muss.
Die Halter/innen tun alles dafür, dem Hund ständiges Beisammensein zu ermöglichen und organisieren das eigene Leben so, dass der Hund überall dabei sein kann. Hunde, die nicht alleine bleiben wollen, stressen auch ihr Umfeld enorm und aus diesem Teufelskreis kommen Hund-Halter-Teams manchmal ein Hundeleben lang nicht mehr raus.
Einige Halter/innen interpretieren die stetige Aufmerksamkeit ihres Hundes jedoch schlicht als Liebesbeweis und sind stolz darauf, dass ihr Hund ohne sie nicht lebensfähig ist. Den eigenen Hund in der ständigen Abhängigkeit von einem selbst zu halten hat mit Zuneigung und Vertrauen unserer Auffassung nach jedoch nichts zu tun.
„Alleine sein zu müssen ist das Schwerste, allein sein zu können das Schönste.“ Hans Krailsheimer
Das Zerstören von Gegenständen
Einige Hunde zerkauen Gegenstände, um sich ein Ventil für ihren Frust zu suchen. Das Kauen bei Hunden erfüllt dabei einen ähnlichen Zweck wie das Nuckeln bei Kleinkindern – es wirkt beruhigend. Am häufigsten kann man das bei Welpen und Junghunden beobachten, wenn sie die ersten Male unbeaufsichtigt sind (oder sich unbeobachtet fühlen…).
Kauen macht glücklich und baut Stress ab.
Aber: Hunde kommen auch einfach so mal auf dumme Gedanken und haben zu zweit oder zu dritt noch viel mehr Spaß daran, sich gemeinschaftlich einem Projekt zu widmen. Aber auch alte Hunde können manchmal nicht mehr gut alleine bleiben, sind vergesslicher und fühlen sich dann tatsächlich einsam.
Management und Trainingsansätze
Damit ein Hund das Alleinebleiben erlernen kann, braucht es Veränderung seitens der Hundehalter/innen – und Veränderungen benötigen Zeit. In unserem Training dauert es normalerweise ein paar Wochen, bis die Hunde immer entspannter alleine bleiben können.
Es ist deshalb manchmal unerlässlich, mit Management zu arbeiten.
Das kann z.B. Hundebetreuung, das Ablenken durch Kauwurzeln, Kauartikel oder das Gewöhnen an helfende Rituale sein.
Die ständige Ablenkung mit Kauartikeln oder die dauerhafte Fremdbetreuung kann als Übergang hilfreich sein, sollte aber nicht als Dauerlösung dienen.
Es gibt leider den Trend, dass Hundehalter/innen geraten wird, das Alleinebleiben minutenweise zu üben. Sie sitzen dann vor ihrer Wohnungstür und gucken auf die Uhr, führen Protokoll oder haben Kameras gekauft, die auf dem Smartphone übertragen, was der Vierbeiner zuhause gerade anstellt (oder im besten Fall auch nicht).
Diese Ansätze haben wir noch nie als hilfreich erlebt, es kostet Zeit, Geld und Nerven. Es ist wichtig zu verstehen, ob ein Hund nicht alleine bleiben will oder ob er nicht alleine bleiben kann. In beiden Fällen kann man seinem Hund helfen und sollte dies auch tun.
Erst wenn verstanden wird, warum ein Hund nicht alleine bleiben kann oder will, können Lösungen gefunden werden, damit der seelische Stress von Hunden und ihren Menschen gelindert werden kann.