Zehengänger GbR, Hauptstraße 66, 30916 Isernhagen

Eine Kastration ist ein Eingriff, der im Tierschutzgesetz angesprochen und eigentlich klar definiert wird. Dennoch stehen sich zwei Lager gegenüber, die Kastrationsbefürworter und die Kastrationsgegner.

§ 6

(1) Verboten ist das vollständige oder teilweise Amputieren von Körperteilen oder das vollständige oder teilweise Entnehmen oder Zerstören von Organen oder Geweben eines Wirbeltieres. Das Verbot gilt nicht, wenn

1. der Eingriff im Einzelfall
a) nach tierärztlicher Indikation geboten ist oder

b) bei jagdlich zu führenden Hunden für die vorgesehene Nutzung des Tieres unerlässlich ist und tierärztliche Bedenken nicht entgegenstehen.

Was ist eine Kastration?

Die Kastration ist die unter Narkose durchgeführte, chirurgische Entfernung der Hoden eines Rüden oder der Eierstöcke einer Hündin (ggfl. inklusive der Entfernung der Gebärmutter).

Infolge der Operation werden Sexualhormone nur noch in der Nebenniere produziert, in geringer Menge und in verändertem Mischungsverhältnis. Kastrierte Rüden zeigen gar kein oder weniger Interesse an läufigen Hündinnen, andere vollziehen sogar den Deckakt. Kastrierte Hündinnen werden nicht mehr läufig und ziehen keine liebestollen Verehrer mehr an. So oder so: Hunde werden kastriert, damit sie sich nicht mehr fortpflanzen können.

Wirkung – was passieren kann (und nicht passieren muss)

Durch die Entfernung der Keimdrüsen kommt es zu einer Verminderung der Ausschüttung von Sexualhormonen und infolge dessen zu Änderungen im Stoffwechsel und zu starken Veränderungen des Sozialverhaltens.

Futter wird häufig deutlich besser verwertet – die Hunde setzen deshalb schneller Fett an, wenn ihre Ration nicht entsprechend angepasst wird. Manchmal kommt es zu Fellveränderungen und Funktionsstörungen der Schilddrüse. Einige Rassen neigen verstärkt zu einer Harninkontinenz bei Hündinnen infolge einer Kastration.

Intakter Rhodesian Ridgeback Rüde und kastrierter Mixrüde.

Die Gehirnreifung, die Aushärtung des Skeletts sowie die Muskelmassenverteilung wird durch eine Kastration beeinflusst.

Der Zeitpunkt der Kastration entscheidet wesentlich über ihre Auswirkung. Frühkastrationen, die in einigen Ländern schon bei Welpen, hierzulande auch schon bei Junghunden durchgeführt werden, sind in unseren Augen ein krasser Verstoß gegen das Tierschutzgesetz und werden kontrovers diskutiert.

Hündinnen durchlaufen zyklusbedingt verschiedene hormonelle Phasen. Abhängig von dem aktuellen Hormonstatus kann eine Kastration zu einer Zunahme von aggressivem Verhalten führen. Einige Studien belegen, dass Kastrationen bei Hündinnen vor den gefürchteten Mammatumoren schützen (andere Studien stellen diese Studie in Frage).

Kastrationen bei Rüden werden häufig durchgeführt, um unerwünschtes Aggressionsverhalten oder „Streunen“ zu unterbinden. Die Kastration kann bei starken Problemen mit Aggressionsverhalten in Kombination mit Training eine gute Option sein, sie kann aber auch gegenteilig wirken und Aggression verstärken (häufig z.B. bei Aggressionsproblemen im Umgang mit Artgenossen).

Fisch oder Fleisch?
Einige Kastraten riechen nicht eindeutig nach dem, was sie eigentlich werden wollten. Viele kastrierte Rüden werden für Hündinnen gehalten, Frühkastraten riechen teilweise „läufig“ und all das führt immer wieder zu unschönen Begegnungen, bei denen Kastraten belästigt, bedrängt und genervt werden. Der Anblick von Artgenossen führt unter diesen Umständen selten zu Freude. Angst oder Aggression können als Grundmotivation beim Zusammentreffen mit Hunde zu lebenslangen Schwierigkeiten führen, die auch durch Training schwer in den Griff zu bekommen sind.

Ein ganzer Kerl – trotz (spät erfolgter) Kastration.

Medizinische Indikation 

Was nicht mehr da ist, kann auch nicht erkranken – natürlich können Kastrationen bestimmte Erkrankungen ausschließen (z.B. Hodentumore) oder Risiko minimierend wirken.

Bei einer Pyometra, ständig wiederkehrenden Scheinträchtigkeiten (nicht jede Scheinträchtigkeit ist ein sofortiger Kastrationsindikator), Kryptochie, Hypersexualität (die nicht durch Erziehung in den Griff zu bekommen ist) und hormonell ausgelösten Erkrankungen ist die Durchführung einer Kastration sinnvoll oder sogar lebensrettend.

Eine Entscheidung mit lebenslanger Tragweite

Der Hormonhaushalt des Körpers ist ungenau erforscht und niemand ist bislang in der Lage, das komplexe Zusammenspiel der Hormone bei einzelnen Individuen vorher zu sagen. Einige Hunde werden deshalb keine sichtbaren Probleme infolge einer Kastration haben, andere aber leiden ein Leben lang darunter.

Intakte Hündin wird auch ganz klein mit den Großen fertig.

Wir sind keine Kastrationsgegner. Wir halten die Kastration bei Rüde und bei Hündin allerdings für einen schwerwiegenden Eingriff, den man nicht leichtfertig treffen sollte, nur, weil das viele Menschen immer noch so tun und immer so gemacht haben.

Die Kastration ist ein medizinischer Eingriff, der ein Segen kann sein – es gibt viele gute Gründe für die Kastration eines Hundes.

Wir finden, eine Kastration muss eine Einzelfallentscheidung sein, die nach bestem Wissen und Gewissen getroffen wird. Sie ist eine Entscheidung, die nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. Deshalb müssen sich Hundehalter die Tragweite bewusst machen.

Eine Kastration sollte zum Wohl des Hundes durchgeführt werden. Nicht zum Wohl des Halters.

Alternativen

Bei der chemischen Kastration wird dem Rüden ein Hormonchip unter die Haut gesetzt (der Eingriff erfolgt ambulant und ohne Narkose), der sich nach einigen Monaten auflöst und eine vorübergehende Unfruchtbarmachung verursacht. Die Wirkung unterscheidet sich von einer chirurgischen Kastration, da die chemische Kastration anders im Gehirn wirkt, als eine chirurgische Kastration. Die Erfahrungswerte im Hundetraining sind bei uns eher nachteilig, so dass wir von der chemischen Kastration mäßig begeistert sind.

Die Sterilisation von Rüde und Hündin ist die Unfruchtbarmachung durch die Durchtrennung von Samen- bzw. Eileiter. Das hormonelle Gleichgewicht und sämtliche Nebenwirkungen der Kastration treten so nicht auf. Nur wenige Tierärzte sind dazu bereit, eine Sterilisation durchzuführen. Für den Auslandstierschutz wäre die Sterilisation eine durchaus überlegenswerte Alternative, die den Straßenhunden noch mehr Unterstützung sein könnte, als die Kastration es derzeit schon ist.

Hündinnen können durch Hormonspitzen in regelmäßigen Abständen kastriert werden. Die Nebenwirkungen sind unangenehm und bekannt, eine regelmäßige Unterdrückung der Läufigkeit durch Hormonspritzen wird nicht empfohlen.

Trotzdem können diese Alternativen im Einzelfall eine gute oder schlicht die einzige in Frage kommende Entscheidung sein, die gemeinsam mit dem beratenden Tierarzt guten Gewissens getroffen werden können.

Weiterführende Informationen

„Wenn Sie es irgendwo laut krachen hören, könnte das der Aufprall unseres kollektiven tiermedizinischen Hinterns auf dem Boden sein.“ Ralph Rückert – Die Kastration beim Hund – ein Paradigmenwechsel

Kastrationschip Rüde – Wirkstoff und Wirkweise

Ein Kommentar zu “Kastration beim Hund – Fluch oder Segen?”

  1. Mein Mann möchte schon sied einer langen Zeit einen Hund aber die Zeit war einfach noch nicht richtig für uns. Jetzt möchte ich ihn mit einem Hund überraschen, weswegen ich mir vorgreifend einige Informationen hole. Ich finde es schwer zu entscheiden was das richtige ist. Mein Familien Hund wurde Kastriert und alles war gut aber ich verstehe die Bedenken, die in diesem Artikel angesprochen werden.

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