In den letzten Jahren wird es für Tierheime immer schwerer, Hunde, die ein Zuhause suchen, zu vermitteln. Und umgekehrt wird es auch für Interessenten immer schwerer, im Tierheim einen geeigneten Hund zu finden.
Woran liegt das?
Wir glauben, dass die Vorstellungen von Menschen, die gerne einem Tierheimhund ein Zuhause schenken, und die Vorstellungen von Tierheimen, wie Menschen sein sollten, die einem Hund ein Zuhause geben weit auseinander liegen.
Die Situation von Tierheimen
Ein Tierheim ist eine Übergangsstation für Tiere (Hunde), die kein Zuhause mehr haben, weil sich der Halter nicht mehr kümmern kann (Alter, Krankheit) oder nicht mehr kümmern will (Überforderung, Hund hat gebissen, Hund ist krank) oder nicht mehr kümmern darf (Sicherstellung durch ein Veterinär- oder Ordnungsamt).
Früher waren Abgabegründe für Hunde nicht so vielfältig, wie sie es heute sind.
Es gab mehr Fundhunde, mit ungewisser Vorgeschichte, die vielleicht ausgesetzt oder weg gelaufen waren. Es gab keine „besonderen“ Rassen, normalerweise fand man Schäferhunde, Rottweiler, Dackel, Schnauzer und deren Mischlinge – alles Hunde eben, die man in Deutschland schon immer gehalten hatte.
Diese Hunde konnten auch verhaltensauffällig sein – aber die Probleme waren bekannt und meist händelbar, denn diese Hundetypen waren an das Leben in einer mitteleuropäischen Gesellschaft wie Deutschland in irgendeiner Form angepasst (Stadtleben, Landleben, Hofhund, Zwingerhund etc.).
Heute
ist es bedingt durch Internet und Hundehandel, aber auch durch Züchter, die begeistert immer mehr exotische Hunderassen in Deutschland verbreiten und auch den Auslandstierschutz leicht möglich, sich eine exotische Hunderasse und einen hoch spezialisierten Hundetyp anzuschaffen. Ob man sich selbst und einem solchen Hund mit der Anschaffung einen Gefallen tut, bleibt fraglich.
Wird die Anschaffung zum Problem, wird ein solcher Hund auch wieder abgeschafft – freiwillig oder unfreiwillig. Am Ende landet alles, womit man nicht fertig wurde, im Tierheim, als Abgabe- oder Fundhund, bzw. als Sicherstellung über die Behörden.
Tierheime sind mit der Fülle an Hunden, die unterschiedlichstes Verhalten an den Tag legen und weit mehr als drei Vorbesitzer kennen, inzwischen randvoll. Und es ist schwer, diese Masse richtig einzuschätzen, gekonnt zu beschreiben und passende neue Halter zu finden.
Denn: Tierheime genießen häufig keinen guten Ruf. Dabei gibt es einige Kriterien, auf die man als Interessent achten kann, um einen Tierschutzverein zu finden, der gut vermittelt und berät.
Verantwortungsbewusster Tierschutz – woran erkenne ich den?
Da Tierheime immer mehr mit bissigen und schwierigen Hunden konfrontiert werden, ist es erforderlich, dass gut ausgebildetes Fachpersonal dort arbeitet. Tierschutzvereine, die ausschließlich mit ehrenamtlichen Hilfskräften arbeiten oder mit Menschen, die keine berufliche Ausbildung im Bereich der Tierpflege absolviert haben, investieren ihre Gelder in unseren Augen völlig falsch. Lieber sachlich und fachlich fundierter Tierschutz im kleinen Rahmen, als Massenrettungen aufgrund von Motiven, die rein emotionaler Natur sind.
Beschreibungen von Hunden, die blumig formuliert sind, lesen sich nett und unproblematisch – und deuten darauf hin, dass manche Dinge nicht wahrheitsgemäß angesprochen werden. „Soll geschnappt haben…“, „Wir können uns vorstellen, dass mit viel Liebe Ziel X erreicht werden kann“, „Ungeschliffener Rohdiamant“ und „Sucht Menschen mit großem Herz!“ sind keine sachdienlichen Informationen, sondern appellieren an das Mitgefühl. Wir meinen, es ist unfair Mitleid zu erregen und damit zu versuchen, emotionale Menschen dazu zu bewegen, einen Hund anzuschaffen und das Verhalten, was er mitbringt, in Kauf zu nehmen, weil er oder sie es früher nicht gut hatte.
Wenn ein Beschreibungstext auch Informationen enthält, was ein Hund nicht kann und was er nicht kennt, dann ist das etwas Gutes, weil Interessenten bessere Chancen darauf haben, wahrheitsgemäß informiert und beraten zu werden.
Die Beratung vor Ort sollte den Beschreibungstext aus dem Internet ergänzen – Sie sollten also schlauer sein, als vorher, wenn Sie mit einem vermittelnden Tierpfleger sprechen. Um sicher zu gehen, dass man eine gute Beratung vor Ort erhält, empfiehlt es sich, vorab telefonisch einen Termin zu vereinbaren, damit Sie Zeit mitbringen können und das Tierheim weiß, dass Sie kommen und sich ebenfalls Zeit für Sie nehmen kann. Manchmal macht es auch Sinn, dass bestimmte Hunde außerhalb der üblichen Öffnungszeiten in Ruhe beschrieben und kennen gelernt werden können. Seien Sie nicht enttäuscht, wenn Sie spontan nach einem Hund fragen und Ihnen gesagt wird, dass Sie besser einen extra Termin vereinbaren, damit die Betreuungsperson, die am meisten dazu sagen kann, an diesem Termin für Sie da ist und sich Zeit nimmt.
Größere Tierschutzvereine haben meist eine Telefonzentrale, die zwar Termine vergeben, aber keine Auskunft über das Tier geben kann, für das Sie sich interessieren. Am Telefon muss kein emotional involvierter Mensch sitzen und auch kein fachkundiger Hundeexperte, der Ihnen alle Fragen vorab beantworten kann. Wer sich für einen Hund aus dem Tierheim interessiert, sollte immer die Bereitschaft mitbringen, Zeit und Geld in ein persönliches Kennenlernen zu investieren. Wer am Telefon schon fragt, wie viel Geld Hund x kostet, tritt immer in ein Fettnäpfchen, selbst, wenn die Frage gar nicht böse gemeint war. Es sollte dennoch nicht die wichtigste Frage sein, die in Ihrem Kopf kreist, wenn Sie über die Anschaffung eines Tierheimhundes nachdenken.
Es spricht sehr für ein Tierheim, wenn Ihnen Zeit eingeräumt wird, einen Hund kennen zu lernen und dieser Zeitraum vorab definiert wird. Sie können nicht erwarten, einen Hund für mehrere Wochen zu reservieren und damit sämtliche andere Interessenten abzublocken. Ein leicht vermittelbarer, freundlicher Hund wird im Idealfall nicht oder nur für wenige Tage für Sie „festgehalten“, ein schwierigerer Fall braucht vielleicht ein oder mehrere Wochen Zeit, um sich mit Ihnen arrangieren zu können. So oder so: Klären Sie im Vorfeld, wie viel Zeit Sie brauchen und erhalten. Halten Sie sich an die Termine, wenn Sie um telefonische Zu- oder Absage gebeten werden und wundern Sie sich nicht, wenn ein Hund nicht weiter zurück gehalten wurde, weil sie einen Termin verpasst haben – Zuverlässigkeit ist wichtig, nicht nur um des guten Eindrucks willen.
Es ist relevant, dass Sie Ihren Tierheimhund so gut wie möglich einschätzen können und es ist noch besser, wenn Ihnen die Tierpfleger vor Ort dabei helfen, beschriebene Verhaltensweisen kennen zu lernen. Wenn ein Hund stark überdreht, wenn er mit Spielzeug in Kontakt kommt und dabei übergriffig wird, ist es gut, wenn Sie sich vorab anschauen können, wie das aussieht. Ein Hund, der schnappt, wird in Ihrer Vorstellung anders aussehen, als in Echt – lassen Sie sich also zeigen, was gemeint ist und glauben Sie nicht, automatisch zu wissen, was Sie nur glauben zu wissen.
Je mehr Möglichkeiten Ihnen angeboten werden, umso besser – mit einem Hund sollten Sie mindestens Gassi gehen dürfen (vielleicht beim ersten mal auch nur in Begleitung des vermittelnden Tierpflegers, weil er Ihnen dazu viele Informationen geben möchte, aber später unbedingt alleine). Ergänzend ist es prima, den Hund auch ohne Leine in einem Auslauf laufen lassen zu dürfen. Aber auch andere Hunde müssen auf den Auslauf, vor allen Dingen die, die keinen Gassigänger haben. Erwarten Sie also nicht, dass Sie mit „Ihrem“ Hund ab sofort täglich auf den Auslauf gehen können. Leinen Sie einen Tierheimhund beim Gassigehen niemals ab. Genauso wenig wie Sie möchten, dass ein Fremder Ihren Hund einfach ohne zu fragen von der Leine lässt, sollten Sie das tun. Sie wissen nicht, wie sich ein Tierheimhund, den Sie nicht gut kennen verhält und dieses Risiko tragen Sie grundsätzlich erst dann, wenn es sich wirklich um Ihren eigenen Hund handelt, den Sie übernommen haben und für den Sie selbst haften.
Erwarten Sie dennoch nicht, dass Sie einen Tierheimhund über Tage ausleihen können, mit ihm an den See fahren oder mal einen Stadtbummel erleben dürfen. Ein Hund ist kein Leihwagen, den Sie Probe fahren, sondern ein Lebewesen, dass sich in einer Ausnahmesituation befindet und auf Schutz angewiesen ist – eben auch auf Versicherungsschutz. Das Tierheim hat nicht nur Ihren Lieblingshund in Obhut, sondern einen ganzen Haufen Hunde mit Bedarf auf Haftpflicht. Es muss sich an gewisse Richtlinien der Versicherung halten, hat dafür unterschrieben und zahlt extrem viel Versicherungsbeitrag.
Ein guter Tierschutzverein wird Sie schließlich nach einer Entscheidung fragen – ja oder nein. Ihre Entscheidung ist immer ein Risiko, denn wirklich wissen, ob es klappt, können Sie erst nach einigen Wochen, in denen ein Hund bei Ihnen lebt. Im neuen Zuhause lebt sich ein Hund normalerweise 2-3 Wochen ein, beobachtet und zieht dann seine Schlüsse. Wer denkt, nach der ersten Nacht ist alles gut gelaufen, behält nicht immer Recht. Wer sich nicht entscheiden kann, weil die Unsicherheit zu groß ist, wird hoffentlich keine Zusage von seitens des Tierheims bekommen. Wenn das Bauchgefühl ein schlechtes ist, sollte man auf keinen Fall diesen Tierheimhund übernehmen.
Schief gehen kann immer was, das ist in jeder Beziehung so, auch ein einer guten. Wer sich einen Hund (aus dem Tierheim) anschafft, geht immer auch ein Risiko ein und hat vor und nach der Übernahme Sorgen und Ängste. Das ist normal und auch gut so, denn natürlich übernimmt man Verantwortung für einen Hund und auch all das, was der eigene Hund macht oder tun könnte.
Wenn der Hund aus einem Tierheim stammt, dass sich Zeit für Sie genommen und gut beraten hat, dann lässt es Sie nicht völlig alleine stehen, wenn der Anfang schwierig wird, sondern berät auch nach Übernahme.
Aber: Wenn er Punkt gekommen ist, bei dem Sie sich dafür entschieden haben, einen Hund aus dem Tierheim zu übernehmen, dann sollte Ihnen klar sein, dass es jetzt auch Ihr Hund ist. Und dass das Tierheim, dass den Hund vermittelt hat, nicht den Rest dieses Hundelebens dafür verantwortlich ist, wie Sie mit ihm umgehen und welche Entscheidungen Ihr Hund trifft.
Tierheime haben häufig einen schlechten Ruf
Tierschutzvereine haben auch schon heraus gefunden, dass ehrliche Beschreibungen von Hunden keine Werbung ist – denn Menschen, die die Tierheime besuchen, sind entsetzt, was ihnen gesagt wird, anstatt dankbar, ehrlich und gut beraten worden zu sein. Das ist der Grund dafür, warum so erschreckend schlechte, beschönigende Beschreibungen von Tierheimhunden zu finden sind, die sich lesen wie Parfumwerbung und warum viele Vermittlungen auch so in die Hose gehen.
Menschen, die Tierheime besuchen, wollen gerne eine arme Seele retten. Eine arme Seele ist aber meist so definiert: ein netter Hund, der nicht ganz hässlich ist, auch nicht ganz alt, am besten nicht krank und lieb zu allen Menschen und Hunden. Denn eines müssen arme Seelen sein: dankbar.
Wer ins Tierheim geht, muss verstehen, dass arme Seelen wütend, traurig, ängstlich, bissig, gebrochen oder auch sehr lustig sein können. Eine arme Seele ist immer ein bisschen von allem. Ein Hund ist nicht nur lieb. Oder nur bissig. Er ist beides und noch viel mehr.
Gewünscht werden Eigenschaften wie: verträglich mit Hunden, kann alleine bleiben, fährt problemlos im Auto mit, soll nicht jagen, freundlich zu Menschen.
Diese Rechnung kann nicht aufgehen. Denn freundliche, erzogene Hunde müssen eher selten ins Tierheim, man bekommt sie gut privat unter. Wenn Hunde unerwünschtes Verhalten zeigen, ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie ins Tierheim kommen viel höher.
Tierheimbesucher fahren oft enttäuscht nach Hause und erzählen dann, was für schlecht vermittelbare Hunde im Tierheim sitzen. Es kommt es dann zu Aussagen wie „die Tierheime haben nur Kampfhunde“, „die sind alle bissig“ oder auch „Tierheime haben kein Interesse daran, ihre Hunde zu vermitteln“. Unreflektierte Aussagen wie diese verschlechtern den Ruf der Tierheimbewohner und mindern die Chance auf ein neues Zuhause zusätzlich.
Man kann das ganze aber auch umdrehen: Hundeinteressenten sind manchmal naiv und haben immens hohe Ansprüche an Hunde, oder erwarten Anforderungen, die sich widersprechen.
Man findet man zwar vereinzelt schon Tierheime, die ausschließlich ausgebildetes Fachpersonal beschäftigen und deshalb auch die meisten Problemfälle gut einschätzen und händeln können – aber es fehlen zuweilen Interessenten, die das Niveau des vermittelnden Tierpflegers besitzen.
Einige Interessenten können noch so gut beraten werden – sie verstehen trotzdem nicht, was gemeint ist, wenn Extremverhalten detailliert angegeben und beschrieben wird. Oder meinen automatisch zu wissen, was gemeint ist und hören gar nicht zu.
Es gibt immer noch viele Menschen auf der Welt, die glauben, ein Hund kommt als unbeschriebenes Blatt auf die Welt. Und wenn man nur ganz lieb zu einem Hundewelpen ist und ihm alles zeigt, dann wird ein lieber Hund aus ihm. Oder ihr. Das ist Quatsch.
Kein Hund kommt als unbeschriebenes Blatt auf die Welt. Die Genetik (und Epigenetik) redet mit. Immer. Ständig. Ein Hundeleben lang. Es ist nicht möglich, einen Pudel genauso zu behandeln, wie einen Airedale Terrier. Das wäre ja unfair.
Ist im Grunde auch gar nicht schlimm. Schlimm ist es nur für die Menschen, die sich wünschen, dass ihr Hund, der kein Pudel ist, ein Pudel sein soll. Oder eben ein lieber Hund. Einer, der sich benimmt. Einer, der keine anderen Hunde anpöbelt. Und der nicht rauft. Der alleine bleiben kann – oder einfach nett und offen zu fremden Menschen ist. Ein Hund, der nicht jagt. Zum Beispiel. Das ist nicht nur eine Frage der Erziehung – häufig kommt Erziehung eben an ihre Grenzen und mehr geht nicht. Es ist normal, dass manche Rassen manche Dinge nicht oder nicht gut können. Gleichzeitig können sie dann andere Dinge aber auch sehr gut und viel besser als andere. Das können aber auf Dinge sein, die dem Halter nicht wichtig sind oder in unserer Gesellschaft schlicht und einfach überflüssig.
Eine Frage der Wertung also.
Es ist deshalb schwer geworden, Hunde ehrlich zu beschreiben, und verantwortungsbewusst zu vermitteln, denn das scheint unpopulär geworden zu sein. Und Tierheime fürchten sich davor, dass sie für ehrliche Beschreibungen Kritik ernten und Spendengelder ausbleiben.
Wie bereite ich mich auf einen Tierheimbesuch vor?
Seien Sie offen und gucken, was Sie erwartet, oder machen Sie sich vorab Gedanken, wenn Sie eher der Typ Mensch sind, der sich gerne vorbereitet:
Wer ein Hund mit Vorgeschichte bei sich aufnehmen möchte, muss zuallererst überlegen, was man selbst zu bieten hat. Was kann ich leisten? Was nicht? Was muss mein Hund können? Und was bin ich bereit, in ihn an Erziehung zu investieren?
Folgende Fragen werden Ihnen im Tierheim meistens gestellt:
Muss Ihr Hund kinderlieb sein?
Die eigenen Kinder lernt ein Hund schnell kennen und akzeptieren – gerechnet werden muss dann aber auch mit unsicheren oder ängstlichen Besucherkindern. Ein Hund, der in einen Haushalt mit Kindern einzieht, muss zuverlässig im Umgang mit allen möglichen Kindern unterschiedlichen Alters sein und auch mit Lautstärke und Trubel zurecht kommen. Ob Ihr Kind Hundeerfahrung hat, oder nicht, ist dabei egal. Ein verantwortungsbewusster Tierpfleger wird Ihnen keinen Hund mitgeben, der Unsicherheiten in dieser Hinsicht zeigt oder gezeigt hat. Ein Hund, der Kinder ernsthaft ablehnt, kann auch schlecht in einer dicht besiedelten, kinderreichen Gegend ein Zuhause finden, selbst, wenn Sie selbst gar keine Kinder haben (möchten).
Muss Ihr Hund alleine bleiben können?
Natürlich können die meisten Hunde an das stundenweise Alleinebleiben gewöhnt werden, aber nach einem Halterwechsel neigen viele Hunde dazu, in ihrem neuen Zuhause erst mal nichts aus den Augen verlieren zu wollen. Es ist deshalb hauptsächlich vom Verhalten des neuen Halters abhängig, ob ein Hund im neuen Zuhause alleine bleiben kann, oder nicht.
Es spielt selten eine Rolle, ob ein Hund beim Vorbesitzer alleine bleiben konnte und ob er im Tierheim alleine bleiben kann.
Ein Tierpfleger kann deshalb nur sagen, ob es gut vorstellbar ist, dass ein Hund im neuen Zuhause alleine bleibt, da die Tendenzen gut oder schlecht sind. Ob ein Hund das kann, hängt von Ihnen ab und deshalb sollte immer Zeit für eine Eingewöhnung und Training zur Verfügung stehen.
Tierheime, die der Meinung sind, ein Hund dürfe keinesfalls mehr als einige Stunden alleine bleiben, haben völlig verdrängt, dass ein Tierheimhund häufig nur eine Stunde am Tag Ansprache hat und von einem Dienst zum nächstens in kleineren Tierheimen ohne Schichtbetrieb bis zu 16 Stunden vergehen. Ein Tierheimhund kann sich nachts nicht melden, wenn er sich lösen muss – viele halten auf. Über Jahre. Das ist nicht nett und auch nicht gesund.
Hunde, die nicht leicht zu vermitteln sind, sind in einem Zuhause, wo sie auch mal acht Stunden alleine bleiben müssen, wesentlich besser bedient, als in jedem Tierheim, wo sie seit Jahren ohne ausreichenden sozialen Kontakt und Bewegung sitzen. Es sollte im Einzelfall immer möglich gemacht werden, einen Hund auch an eine berufstätige Einzelperson zu vermitteln. Das bedeutet nicht, dass ein Welpe acht Stunden alleine sein soll – aber ein schwer vermittelbarer Hund, der seit fünf Jahren im Tierheim sitzt und seit dieser Zeit noch nicht einmal in seinen Zwinger gepinkelt hat, sollte lieber dringend an eine solche Einzelperson vermittelt werden können. Das wäre in jedem Fall eine sofortige Verbesserung seiner Lebensumstände.
Wohnen Sie in einer Wohnung, oder einem Haus mit Grundstück?
Interessant sind dabei (hoffentlich!) nicht Ihre Privatangelegenheiten, sondern eher, ob der Hund ein Grundstück bewacht, wie hoch dann der Zaun ist, ob Sie ländlich mit viel Wild und wenig Reizen oder städtisch mit viel Reizen leben.
Im Übrigen werden Menschen mit Wohnungen häufig bevorzugt, denn Wohnungshunde sind mit ihren Menschen mit höherer Wahrscheinlichkeit dreimal täglich unterwegs, um ihr Geschäft draußen zu verrichten. Zudem gibt es keine Zaunproblematik, also auch Hunde, die hoch springen oder gerne streunen, sind in Wohnungen recht gut aufgehoben. Wohnungshunde müssen durch ein Treppenhaus und haben Nachbarn, die Halter müssen deshalb verstärkt Wert auf gute Erziehung und Ruhe legen – ein großer Vorteil im Management.
Hausbesitzer haben es da deutlich einfacher: Die Erziehung eines Hundes muss nicht ganz so hoch gehängt werden und bei schlechtem Wetter kann der Hund auch einfach mal in den Garten geschickt werden. Das heißt nicht, dass das alle so machen. Ganz im Gegenteil: Hausbesitzer haben natürlich dafür die Möglichkeit, Hunden ein Zuhause zu bieten, die in der Wohnung nicht gut zu halten wären.
Tierschutzvereine hängen sich häufig am Treppensteigen auf, weil sie der Meinung sind, ein Hund dürfte nicht höher als im 1. Stock wohnen. Wir glauben, dass auch Hunde im dritten Stock glücklich sein können, glücklicher jedenfalls, als in einem Tierheimzwinger. Vorausgesetzt, Treppensteigen ist für einen Vermittlungshund gesundheitlich möglich.
Wer in einer Wohnung lebt, sollte eine schriftliche Vermietergenehmigung vorlegen können, vor allen Dingen, wenn es sich um Rassen handelt, die Mitmietern Angst machen können. Ansonsten macht es keinen Sinn, einen Hund aus dem Tierheim zu holen, der dann zurück muss, weil sich Hausbewohner beschweren. Die rechtliche Situation spielt dabei keine Rolle – ein verantwortungsbewusstes Tierheim wird nach einer Genehmigung fragen, um Sie und Ihren zukünftigen Hund vor bösen Überraschungen zu bewahren.
Muss Ihr Hund verträglich sein mit anderen Hunden?
Wir wurden für diese Frage viel belächelt, die Antworten fielen unterschiedlich aus, die meisten Menschen räumten ein, dass sie selbst ja auch nicht jeden mögen. Aber die Kinnlade fiel dann doch immer weit runter, wenn wir aufzählten, was so im Angebot war.
Nicht wenige Hunde suchen ein neues Zuhause, weil sie andere Artgenossen schwer oder tödlich verletzt haben. Und nicht wenige Hunde können fünf Hunde gut finden und den sechsten beissen. Einige Hunde neigen dazu, andere Hunde im Spiel so sehr zu nerven, bis es kippt, um sich auf den Pelz zu hauen. Manche Hunde raufen gerne und beissen gar nicht, sie spielen einfach nur sehr körperbetont und grob. Und wieder andere mögen keine Artgenossen, spielen nicht gerne, knurren viel rum und tun aber nichts. Im gut organisierten Tierheim haben Hunde viel Hundekontakt und die Tierpfleger können die Sozialverträglichkeit deshalb sehr gut einschätzen.
Aber Hundebesitzer sind in dieser Hinsicht unterschiedlich: von unempfindlich bis zart besaitet gibt es eben alle und bei Hundebegegnungen entwickeln sich schnell Dramen ungeahnter Ausmaße. Während die einen ihren Hund schon weg reissen, wenn der andere nur knurrt, Anzeigen beim Ordnungsamt aufgeben, weil der eigene Hund einen Kratzer am Ohr erlitten hat, bei einer typischen, lauten Rauferei, wie sie in jedem Hundeleben einfach mal vorkommen können, sind andere Hundehalter völlig entspannt. Oder auch verantwortungslos und lassen ihre Hunde ohne Leine, ohne Maulkorb und ohne jeden Versuch eines Rückrufs dahin laufen, wo sie eben hinwollen, obwohl sie wissen, dass der eigene Hund vielleicht nicht jeden mag oder auch schon gebissen hat.
Ein vermittelnder Tierpfleger muss also einschätzen, ob Sie verstanden haben, wie verträglich ein Vermittlungshund ist, Sie vielleicht bereit wären, einen bissigen Hund in der Öffentlichkeit mit Maulkorb zu führen oder ob für Sie nur ein wirklich sozialverträglicher, unauffälliger Hund infrage kommt.
Ist das Ihr erster Hund, oder hatten Sie bereits vorher Hunde?
Jeder Mensch, der mal einen Hund hatte, sagt von sich, er habe Hundeerfahrung. Manche Menschen erklären stolz, sie hätten seit über 30 Jahren Hunde und fühlen sich damit ausreichend qualifiziert für alles, was da kommen möge. Drei oder fünf Hunde besessen zu haben, ist kein Beweis für Qualifikation, sondern häufig ein Nachteil in Sachen „Betriebsblindheit“, weil der neue Hund mit den alten verglichen wird. Die Beratung von „Hundekennern“ stellt sich manchmal sehr schwierig dar.
Wer noch nie einen Hund besessen hat und sich intensiv auf den ersten vorbereitet, kann wesentlich sachkundiger sein, als jeder selbsternannte Hundekenner. Denn Hundeanfänger outen sich meist zugleich als offen und wissbegierig. Eine tolle Voraussetzung für die Anschaffung eines Hundes mit Vorgeschichte.
Wer bislang immer Beagle hatte, schafft sich mit dem Interesse an einem Deutsch Drahthaar ein völlig neues Interessen- und Aufgabenfeld. Und umgekehrt. Wer bislang leicht erziehbare Gebrauchshunderassen hielt, tut sich plötzlich doch schwer mit einem selbstständigen Hundetyp – und umgekehrt.
Eine Vermittlungsperson möchte also einschätzen, was Sie bislang geleistet haben und welcher Hundetyp gut zu Ihnen passen könnte. Wenn Sie bereits einen Tierheimhund favorisiert haben, kann sich jetzt raus stellen, ob diese Konstellation eine gute oder schlechte für Sie wäre.
Muss Ihr Hund Auto im Auto mitfahren können?
Sind Sie viel unter Menschen, muss ihr Hund entspannt im Kontakt mit Menschen sein?
Wohnen Sie auf kleinem Raum? Muss Ihr Hund eher ruhig sein, was Bewegungsdrang und Lautstärke angeht?
Bewegen Sie sich viel und suchen einen aktiven Hund?
Kann Ihr Hund groß und kräftig sein, oder möchten Sie lieber einen Hund, den Sie nicht nur körperlich führen, sondern im Notfall auch mal die Treppe hoch tragen können?
Darf Ihr Hund eine leichte, mittlere oder schwere Erkrankung haben?
Die Liste ist endlos – es gibt viele gute Fragen, die Ihnen gestellt werden können, wenn Sie in einem Tierheim nach einem Hund fragen.
Im besten Fall haben Sie sich diese Fragen vorher selbst gestellt und können Sie ruhigen Gewissens beantworten.
Sie wissen jetzt, dass Tierheime keine tausend Fragen stellen, um Sie zu ärgern oder indiskret zu sein. Tierheime machen die Hundevermittlung auch nicht komplizierter, als eine „Kinderadoption“, wie ihnen oft vorgeworfen wird. Wenn Sie viel gefragt werden, dann nur, um Ihnen den Hund vorstellen zu können, der am besten zu Ihnen passen könnte.
Das Problem dabei: Der Hund, der Ihnen vorgestellt wird, hält sich manchmal nicht an Ihre Vorstellung. Vielleicht ist er ein bisschen pummelig. Oder grau um die Schnauze. Vielleicht hat er schlechte Zähne oder eine Futtermittelallergie. Im schlimmsten Fall gehört er einer Rasse an, die sie gar nicht wollen oder von der sie glauben, sie nicht zu mögen.
Hören Sie aber auf Ihr Bauchgefühl. Wenn Ihr Gesprächspartner nett zu Ihnen war, Sie sich wohl gefühlt haben, Sie ganz viel gefragt und Ihnen gut zugehört wurde und Ihnen dann gesagt wird: „Ich habe da etwas für Sie, schauen Sie sich diesen Hund mal an.“ – dann schauen Sie sich diesen Hund mal an. Manchmal und öfter als manchmal ist dieser Hund ein guter Anfang für eine Hund-Halter-Beziehung, von der sie noch nicht gewusst haben, dass sie so schön sein würde.
Jede Beziehung kann scheitern, manchmal vor und manchmal nach der Übernahme. Die Abgabe oder Rückgabe in ein Tierheim ist keine Schande, sondern kann passieren, auch bei bester Planung, bester Beratung und bestem Willen.
Ein sehr guter Bericht. Hoffentlich lesen ihn viele, die sich einen Hund anschaffen wollen. Vielen Dank dafür.
Viele Grüße, Isa